Kapitel 249Stolpersteine

Kapitel 249


Stolpersteine


Jason:


Meine Gedanken kreisen während der Rückfahrt nur um die Ereignisse und am liebsten hätte ich mir Bruce persönlich zur Brust genommen. Doch er hatte Glück, das die Polizei ihn mitgenommen hat. Meine Wut auf Gail ist noch immer nicht verraucht und so reden wir kein Wort miteinander. Jeder hängt seinen Gedanken nach. Und als wir in Seattle ankommen, braucht Jackie erstmal ihre Mommy. So zeige ich Sophie erstmal alles. Sie ist ganz beeindruckt von ihrem neuen zu Hause. Da Gail und ich immer schon das große Gästezimmer für sie vorgesehen haben, führe ich sie dorthin. Als ich es öffne macht Sophie große Augen.


."Wenn du möchtest ist das hier dein Zimmer und wir können es natürlich so einrichten wie Du möchtest. Wir wussten ja nicht wie Du es magst, daher haben wir noch nicht viel verändert."


Denn bislang haben wir nur ein Himmelbett und einem Schrank reingestellt. Da Sophie noch nicht hier war, konnten wir ja nichts vorbereiten. Aber Sophie scheint das alles egal zu sein, sie fâllt in meine Arme und schluchzt ein Danke. Dann setzen wir uns gemeinsam auf das Bett und Sophie berichtet auch mir endlich was zu Hause los war.


"Meine große ich kann dich ja verstehen, das Du Angst hattest, aber Du sollst wissen, das Du immer zu mir kommen kannst. Ich werde dich immer beschützen und ich pass auch immer auf dich auf. Versprich mir, das Du dich an mich oder Gail wendest, wenn irgendwas ist."


"Ja Daddy das verspreche ich Dir.Und ich werde immer auf Jackie aufpassen. Es ist toll das sie da ist. Ich hab mir immer ein Geschwisterchen gewünscht."


Das Sophie, Jackie sofort so anerkennt und in ihr Herz schließt, macht mich einfach nur glücklich.Und außerdem bin ich verdammt Stolz auf meine große Tochter. Auch wenn es ihr nicht bewusst ist, aber durch den Tipp mit dem Schlüssel, an Tim, hat sie Amanda wahrscheinlich das Leben gerettet. In mir steigen die Schuldgefühle hoch, denn ich bin doch derjenige der meine Tochter hätte beschützen müssen. Warum hab ich denn bloß nichts gemerkt. Ich kann es immer noch nicht begreifen. Und dann als wir wieder zu Gail gehen wollen bekomme ich eine SMS von Christian.


Stress abbau im Fitnessraum. Claude kommt vorbei. Komm rüber, wenn Du möchtest.


Christian


Na das Angebot nehme ich gerne an und außerdem kann ich so erstmal einen klaren Kopf bekommen, bevor ich mich mit Gail auseinander setzen.


Das Kickboxen hat mir wirklich gut getan und Claude hat alles von mir abverlangt. Aber nun sehe ich zumindest etwas klarer und bin mit mir einigermaßen im Reinen. Nachdem ich mit Rose gesprochen habe, ist meine Frau dran. Längst bin ich ihr nicht mehr so böse, wie es den Anschein macht und als sie mir dann nochmal ihre Motivation darlegt, brechen bei mir alle Dämme.


Das Sophie ihr sehr am Herzen liegt, war mir bewusst, aber wie sehr konnte ich nur erahnen.Ich bin zutiefst gerührt und Gail und Rose auch sehr dankbar. Denn ohne die beiden wären wir so schnell sicher nicht hinter das düstere Geheimnis gekommen. Wir besiegeln unsere Versöhnung gerade mit einem sehr intensiven Kuss, als Jackie uns in die Realität zurück holt. So geht Gail zu Jackie und ich wasche mir schnell das Gesicht, damit man mir nicht ansieht, wie sehr mich das mitgenommen hat, bevor ich dann ins Krankenhaus fahre. Christian hat mir sowieso frei gegeben und so mache ich mich gleich auf den Weg.


Die nette Schwester am Empfang fragt mich sofort ob Sie mir weiter helfen kann und so sage ich:


"Jason Taylor mein Name, ich bin auf der Suche nach Amanda Cruize, meiner Ex- Frau. Sie ist vorhin von Tacoma hierher verlegt worden."


Sie tippt eifrig auf ihrer Tastatur herum und bittet mich dann mich auszuweisen. Nachdem ich das gemacht habe, kommt eine Kollegin und führt mich direkt zur Intensivstation, wo Dr. Bradon mich schon erwartet.


"Mr. Taylor, nehme ich an. Ich bin Dr. Bradon, der behandelnde Arzt von ihrer Ex- Frau."


"Guten Tag, wie geht es Amanda denn?"


"Nun ja Mr. Taylor, Sie hat verdammt viel Glück gehabt, das Sie nicht mehr abbekommen hat. Aber wir mussten Sie in ein künstliches Koma legen. Sie hat ein Schädelhirntrauma erlitten und das Gehirn ist angeschwollen. Des weiteren hat sie einige Rippenbrüche, sowie einen ausgekugelten Arm, den wir wieder einrenken konnten. Von den unzähligen Hämatomen mal abgesehen. Und auf den Röntgenbildern waren auch ältere, verheilte Brüche zu erkennen. Können Sie mir dazu was sagen?"


"Leider kann ich ihnen nicht viel sagen. Wir hatten die letzten anderthalb Jahre eher wenig Kontakt und nachdem was unsere Tochter mir berichtet hat, scheint der neue Lebensgefährte meiner Frau Schuld an den älteren Verletzungen zu sein. Genauso wie er Schuld an ihrem jetzigen Zustand hat. Kann ich denn zu ihr?"


"Ja, das können Sie Mr. Taylor, aber ich hab da noch eine Frage. Kann es sein, das ihre EX- Frau regelmäßig zur Flasche greift?"


Wieder kann ich dem Arzt nur erzählen was ich von Sophie weiß und erst jetzt wird mir das Ausmaß der ganzen Katastrophe bewußt. Was hat dieser Kerl meiner Tochter und Amanda nur angetan? Bevor Dr. Bradon sich verabschiedet meint er noch:


"Mr. Taylor, nach allem was ich nun gehört habe, wäre es vielleicht ganz gut ihre Tochter auch einmal durchchecken zu lassen und vielleicht sollten Sie auch psychologische Hilfe für sie ihn betracht ziehen."


"Ja danke, ich werde mit Dr. Trevelyan- Grey sprechen, das sie meine Tochter untersucht und Sophie auch einem Psychologen vorstellen."


"Oh, Sie kennen Grace? Sie ist wirklich eine tolle Kinderärztin, da ist ihre Tochter wirklich in den besten Händen."


Ich erkläre dem Arzt dann, das ich für Christian arbeite und da wird ihm auf einmal auch klar, warum die Verlegung so schnell ging und wieso Amanda sofort ein Einzelzimmer bekommen sollte. Nachdem der Doc sich verabschiedet hat, ziehe ich mir den Kittel über, den mir die Schwester reicht und dann darf ich endlich zu Amanda gehen. Ich zucke bei ihrem Anblick vor Schreck zusammen. Doch es liegt nicht an den Maschinen und Geräten die an sie angeschlossen sind, oder in dem Zimmer stehen. Nein es ist viel mehr ihr Zustand. Um ihren Kopf hat sie einen Verband und ihr Gesicht ist angeschwollen und schillert in den buntesten Farben. Wie der Rest ihres Körpers aussieht, kann ich nur erahnen. Und allein ihr Anblick macht mich rasend vor Wut, auf Bruce. Er kann verdammt nochmal froh sein, das er bei der Polizei ist, denn wenn er mir begegnen würde, dann wäre es sicher tödlich für ihn. Ich versuche die Gedanken zu verdrängen und setze mich zu Amanda ans Bett.Denn auch wenn es mit uns als Paar nicht geklappt hat, so ist sie mir dennoch wichtig. Sie ist ja auch immerhin die Mutter meiner Tochter. Und außer mir und Sophie hat sie leider keine Familie mehr. Ich nehme ihre Hand vorsichtig in meine und streichle sie sanft, damit sie weiß das ich da bin.


"Hey Amanda, ich bin es Jason. Hab keine Angst. Sophie ist bei mir und Sie ist in Sicherheit. Ich werde gut auf unsere Prinzessin aufpassen. Und natürlich auch auf dich. Aber werd schnell wieder gesund. Sophie braucht doch auch ihre Mutter. Und Bruce, der kann euch nichts mehr tun. Also hab keine Angst und komm bald zu uns zurück."


Eine Weile bleib ich noch an ihrem Bett sitzen. Ich erzähle ihr wie stolz wir auf Sophie sein können und das wir ihr helfen werden, wenn sie denn wieder aufwacht. Ich versuche ihr irgendwie Mut zu machen. Doch dann halte ich es nicht länger aus. Der Wunsch meine drei Frauen in den Arm zu nehmen ist einfach zu mächtig. Ich spreche noch kurz mit der Schwester, doch Sie kann mir auch nicht sagen, wann sie Amanda aus dem Koma holen werden. Erstmal müssen wir die Nacht abwarten. Und so mache ich mich dann auf den Weg nach Hause. Dort warten schon alle mit dem Abendessen auf mich. Sophie ist zuerst noch ein wenig eingeschüchtert, doch nach und nach taut Sie auf. Alle sind wirklich super lieb zu ihr und wir genießen ein unbeschwertes Abendessen zusammen. Und ich bin wirklich froh, das keiner das Thema Amanda anspricht. Denn zuerst muss ich das in Ruhe mit Gail und Sophie klären. Genau das mache ich dann auch nachdem Essen. Gemeinsam gehen wir rüber in unsere Wohnung. Und während Gail Jackie heute alleine ins Bett bringt, setze ich mich mit Sophie ins Wohnzimmer.


"Was ist mit Mommy? Geht es ihr gut? Kann ich Sie besuchen?"


Werde ich sofort von Sophie gefragt und es fällt mir wirklich nicht leicht ihr die ganze Wahrheit zu erzählen. Besonders da ich jetzt weiß was sie alles durchgemacht hat. Dennoch sage ich:


"Sophie, deine Mommy schläft ganz tief und fest. Die Ärzte haben ihr ein Mittel gegeben, damit sie schlafen kann und sich ihr Körper erholt. Ich kann Dir noch nicht sagen wann Sie wieder aufwacht. Und im Moment sieht sie auch nicht aus wie deine Mommy. Bruce hat ihr ziemlich weh getan. Daher weiß ich nicht, ob es so gut ist, wenn Du mitkommst Sie besuchen."


"Doch Daddy. Ich will Mommy sehen. Sie braucht mich doch. Und wenn Sie weiß das ich da bin, vielleicht wird Sie ganz schnell gesund."


Ich stimme ihr dann etwas widerwillig zu und verspreche ihr, das wir morgen, gemeinsam Amanda besuchen gehen. Das wird garantiert nicht einfach, aber ich hoffe Sophie verkraftet das. Dann klingelt Hank bei uns. Er hat Sophies Sachen und auch ein Teil ihrer Spielsachen von zu Hause abgeholt. Ebenso wie Klamotten für Amanda. Ich war heilfroh, das er mir das angeboten hat und Sophie freut sich sehr schon mal ein Teil ihrer Sachen hier zu haben. Während Sie alles in ihr Zimmer räumt, bringe ich Gail auf den neusten Stand. Sie hofft genauso wie ich, das Sophie es verkraften wird. Und morgen werden wir Grace und Dr. Flynn um Hilfe bitten.


Mitten in der Nacht werde ich von Schreien geweckt. Ich brauche einen Moment um zu realisieren was los ist. Doch dann stürme ich aus dem Schlafzimmer, geradewegs in Sophies Zimmer. Sie scheint einen Alptraum zu haben und schlägt wild um sich. Es dauert eine ganze Weile, bis ich sie beruhigt bekomme. Und als sie mich anfleht, nicht zu gehen, lege ich mich zu ihr und gemeinsam schlafen wir wieder ein. Doch ich bin schon früh wach und fühle mich wie gerädert. Meine Gedanken wie es weitergehen soll, und die Angst um Amanda und das ich Sophie verlieren könnte, wollen einfach nicht weg gehen. Noch dazu kommt die Sorge um Sophie, die zum Glück nach dem Alptraum ruhig weiter geschlafen hat. In der Küche treffe ich auf Gail, die durch unsere kleine Prinzessin schon wach ist.


"Guten Morgen mein Schatz. Wie geht es Sophie? Hat sie weiterschlafen können?"


"Ja meine Schöne, Sie schläft noch, aber ich kann nicht mehr schlafen. Ich würde gern eine Runde Joggen gehen. Kommst Du hier klar?"


Gail meint das ich den Kopf frei bekommen soll und gibt mir noch einen Kuss. Ich schaue noch nach meiner kleinen Prinzessin und schlüpfe dann in meine Laufsachen. Wie fast jeden Morgen treffe ich Christian vor der Tür. Auch er sieht so aus, als ob ihm noch einiges durch den Kopf geht und so machen wir uns erst schweigend auf den Weg. Irgendwann bricht er das Schweigen und er erkundigt sich nach Amanda. Natürlich ist er auch total geschockt vom Ausmaß der Verletzungen. Er verspricht mir seine Mom und Flynn anzurufen. Vielleicht können die beiden ja heute noch vorbei kommen. Nach unserem gemeinsamen Frühstück, kommt die Frau vom Jugendamt. Und irgendwie hab ich bei ihr kein gutes Gefühl.


Mrs Oelsen ist eine Frau so mitte 50. Ihr Haar zu einem strengen Dutt nach hinten zusammen gemacht und sie schaut alles andere als freundlich. Trotzdem gebe ich mir die größte Mühe, nett und freundlich zu sein. Mit kritischem Blick folgt sie mir ins Wohnzimmer, wo sie Sophie mit ihrer kleinen Schwester entdeckt und sofort geht das gemecker los.


"Mr. Taylor, ich denke Sie sind ein verantwortungsvoller Vater. Aber was muss ich denn hier sehen. Sophie ist zu Hause und nicht in der Schule. Was soll das denn?"


Sophie schaut mich und Gail mit angsterfüllten Augen an und ich fange innerlich an zu brodeln. Diese Frau hat ja echt das Feingefühl einer Kettensäge.


"Ja Mrs. Oelsen, ich bin ein verantwortungsbewusster Vater und nach allem was meine Tochter gestern mitgemacht hat, bleibt sie heute zu Hause. Sie hat die Nacht nicht gut geschlafen und außerdem wollen wir uns später ein paar Schulen hier in der Umgebung ansehen."


"Nun gut. Ich nehm das erstmal so ins Protokoll auf."


Sagt sie schnippisch und inspiziert die weiteren Räume, unserer Wohnung. Diese Frau treibt mich langsam in den Wahnsinn und sie sucht sprichwörtlich das Haar in der Suppe. Wie wir uns denn gesund ernähren würden, wenn da nur zwei Sorten Obst auf dem Tisch stehen würden und all solche Kleinigkeiten führt sie an. Doch die Krönung ist als sie mir sagt:


"Mr. Taylor, können Sie mir mal bitte erklären wie sie sich bei ihrem Job um Sophie kümmern wollen? Müssen Sie nicht 24 Stunden abrufbereit für Mr. Grey da sein? Immerhin sind sie doch sein Sicherheitschef und sein persönlicher Bodyguard, oder? Vielleicht wäre Sophie doch besser bei ihrem Stiefvater aufgehoben, solange ihre Mutter im Krankenhaus ist."


Schreiend rennt Sophie an uns vorbei. Immer wieder brüllt Sie:


"Nein, nein, ich will nicht zu Bruce. Ich will bei Daddy bleiben."


Zum Glück rennt Gail ihr hinterher und Sophie scheint bei Rose Schutz suchen zu wollen. Nun reißt mir wirklich der Geduldsfaden.


"Erstens Mrs. Oelsen kann ich meine Zeit mit Mr. Grey absprechen und es gibt durchaus noch mehr Personal, die seinen Schutz übernehmen können. Zweitens ist meine Frau den ganzen Tag zu Hause und kümmert sich auch um Sophie, wenn ich nicht da sein sollte und drittens haben Sie gerade selber gehört das meine Tochter hier bleiben möchte. Wie können Sie Sophie nur so verschrecken. Hat Sie nicht schon genug durchgemacht und zu ihrem gewalttätigen Stiefvater, werde ich sie bestimmt nicht lassen. Außerdem sitzt er doch in Untersuchungshaft."


"Oh nein, nein Mr. Taylor. Da sind sie aber verkehrt informiert. Mr. West wurde heute ganz früh auf Kaution entlassen und hat mich telefonisch darüber in Kenntnis Gesetzt das Aufenthaltsbestimmungsrecht für Sophie zu beantragen. Und ich muss ihnen sagen, die Chancen stehen nicht so schlecht. Immerhin gibt es von ihrer Tochter keine Aussage gegen ihn und auch ihre Ex- Frau hat nie Anzeige erstattet. Aber nun gut, ich bin ja kein Unmensch. Ich lasse Sophie erstmal bei ihnen bis sich der Vorwurf gegen Mr. West geklärt hat. Sie hören von mir."


Und mit einem hämischen Grinsen im Gesicht verlässt sie unsere Wohnung. Am liebsten würde ich jetzt auf irgendwas einschlagen. Wie kann das nur möglich sein? Irgendwas stimmt mit dieser Frau nicht. Ein Blinder sieht doch, das Bruce hinter allem steckt. Ich hoffe nur das Carrick uns irgendwie helfen kann. Doch zuvor muss ich erstmal zu meiner großen Tochter. 

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