o2 // Tanzende Flocken

Wenn es das erste Mal schneite, so brach in Hogwarts jedes Jahr aufs Neue die Hölle los.


Es genügte schon eine einzelne, zarte Flocke, die dabei nur etwas deplatziert an einem der beschlagenen Klassenzimmerfenster vorbeisegeln musste, da vergaß ein Jeder scheinbar, dass er in einem Bildungsinstitut verweilte und somit gewisse Verantwortungen zu erfüllen hatte, anstatt bloß hibbelig auf dem eigenen Platz herumzurutschen, in freudiger Erwartung, dass doch diese Unterrichtsstunde endlich enden möge. Jegliche Hemmungen bezüglich mangelhaften Verhaltens sahen sich plötzlich außer Kraft gesetzt, eine verbleibend minimale Relevanz des Unterrichts verlor an Priorität und Lehrer an ihrer letzten Autorität. Der erste Schnee war in Hogwarts mit unnötigen Traditionen geschmückt, von denen eine jede einzelne vermutlich im Regelbuch der Schule als nicht gestattet vermeldet wurde und dennoch unter größtem Vergnügen der Schüler jedes Jahr aufs neue verletzt wurden. Es war die oberste Art unumstößlicher Traditionen, dass der erste Schnee mit der größten, aufwendigsten (und brutalsten) Schneeballschlacht des Jahres geehrt wurde und war damit wohl zweifellos der Moment, den man in keinem Fall verpassen wollte (und durfte).


Und zu aller Überraschung sah die erste Schneeflocke dieses Jahr ich. Das war deshalb solch ein Wunder, weil ich ungefähr so scharfsichtig bin wie ein gehäuteter Flubberwurm und kaum einmal etwas aus meiner Umgebung wahrnehme, das nicht komestibel ist. Aber Zaubertränke langweilte mich heute wieder in solch erschlagendem Ausmaß, dass ich mich schon im Laufe der ersten zehn Minuten versonnen aus dem Fenster starrend wiederfand. Es war mehr ein Wunder, als berechnete Absicht, dass mir der kleine weiße Punkt ins Auge stach, der da so leichtfüßig auf den Boden zuschwebte und ich musste die Augen fest zusammenkneifen, um sicher zu gehen, dass ich mich nicht täuschte.


„Sieh mal!", zischte ich meiner Sitznachbarin zu, ungeachtet dessen, dass sie gerade unter höchster Präzisionsarbeit einem getrockneten Froschauge die Iris herauspulte. „Darcie, sieh doch!"


Sie hob etwas unwillig den Kopf und folgte meinem gestreckten Finger mit gemäßigtem Interesse.


„Was?", fragte sie, nachdem sie einige lähmende Sekunden lethargisch auf das winzige Fenster gestarrt hatte. Ich beschloss, ihr offensichtliches Desinteresse an meiner Selbst nicht allzu persönlich zu nehmen und wappnete mich schweren Herzens dem aufwendigen Diskurs, Darcie etwas glaubhaft zu machen, das sie nicht mit eigenen Augen gesehen hatte. (Sie war überzeugte Empirikerin.)


„Der erste Schnee", quiekte ich also aufgeregt und fuchtelte gen Fenster. „Ich hab' die erste Flocke gesehen!"


„Zu dieser Zeit des Jahres?", wollte sie wissen, reckte aber doch den Hals, um einen besseren Blick auf den verschwendend kleinen Fensterabschnitt erhaschen zu können. Das vergitterte Fenster war bei zweiter Beobachtung tatsächlich so winzig, dass ich es mir erlaubte, einen Moment an meiner kleinen, gefrorenen Entdeckung zu zweifeln. Allein der Lichteinfall aus besagtem Fenster war so lässlich, dass der grünliche Schein der Kerkerwänden diese kleine Quelle regelrecht verschluckte und den freundlichen Sonneneinfall damit komplett absorbierte. Wehmütig linste ich aus dem Fenster und sah prompt die zweite Schneeflocke. Ich konnte mir ein Grinsen kaum verhalten, als ich eine dritte vorbeisegeln sah und warf wahllos ein paar Billywig-Stacheln in meine blubbernde Mixtur. Augenblicklich trat ein wabernder Rauch über meinen Kesselrand heraus und verfärbte das strahlende Kupfer meines Kessels zu einem hässlich matten Grün.


„Darc, übermorgen ist Weihnachten, wann erwartest du bitte sonst Schnee?", seufzte ich nun etwas resigniert und rührte verdrießlich in meinem Kessel umher. Etwas konsterniert beobachtete ich, wie sich meine Brühe mit jedem Stochern des Rührstabs lediglich verdickte, bis die steigende Viskosität schließlich ein Stadium erreicht hatte, in dem mein Löffel feststeckte.


„Ein bisschen Hilfe bitte?", zischte ich Darcie aus meinem Mundwinkel zu, da ich zu meinem großen Leidwesen plötzlich Snapes fledermausartige Gestalt durch die Reihen huschen sah, offensichtlich auf der Suche nach einem Opfer seiner immerwährenden Schikane.


Professor Severus Snape schien seine Entscheidung Lehrer zu werden aus dem schlichten Wunsch gefällt zu haben, seinen Schülern das größtmögliche Leid der Welt zu bescheren; und dazu bot er eine beindruckend weitgefächerte Palette an Fähigkeiten auf, die ihm dieses Ziel schmerzlich greifbar machten. So schien Snape aus unerklärlichen Gründen immer genau diejenigen Einzelnen unter seinen Schülern ausmachen zu können, die am Rande der Verzweiflung und des Wahnsinns standen und sich ihren hämischen Zaubertranklehrer so weit wie möglich von ihrem qualmenden Kessel wegwünschten. Snapes Blick blieb an mir hängen und da wusste ich, dass es um mich geschehen war. Mit wehenden Schritten durchquerte er den Klassenraum und blieb vor Darcies und meinem Tisch stehen. Darcie starrte nun ebenfalls mit einer gewissen Perplexität auf meine schleimige Trankmasse und stupste die Mixtur probehalber mit ihrem Zauberstab an. Kleine Bläschen Schleim lösten sich aus der wabbeligen Masse und verharrten einige Fingerbreit über dem Kessel, unbeholfen schwebend, ehe sie zu zittrigen Orbitalen um den Kessel ansetzten.


„Nun, Miss O'Callaghan, sie scheinen ihr Z.A.G. Jahr mehr für die experimentellen Bereiche des Fachgebiets der Zaubertränke verschwenden zu wollen, anstatt sich an den vorgeschriebenen Lehrplan zu halten", spottete Snape, sobald er einen flüchtigen Blick auf meine dickflüssige Lösung geworfen hatte. Die kleinen Bläschen Schleim gewannen zunehmend an Geschwindigkeit und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als dass sie doch um Snapes Ohren anstelle meines Kessels sausen mochten.


„Tut mir leid, Professor", brachte ich unter zusammengebissenen Zähnen hervor und vermied es penibel, ihm in die Augen zu sehen. „Ich muss wohl einen Teil der Rezeptur falsch befolgt haben."


„Sie haben mehr als einen Teil missachtet und falsch interpretiert, O'Callaghan – oder schlichtweg durch Ihren so offensichtlichen Mangel an angewandter Intelligenz nicht begriffen." Er zog seinen Zauberstab und stach ihn in meinen Kessel. Eine Armada aus Schleimbläschen stob heraus und ordnete sich in den bereits bestehenden Ring um meinen Kessel ein, der inzwischen rasend schnell seine Kreise zog. „Was ein simpler Stärkungstrank hätte werden sollen, ist bei Ihnen eine jämmerlich miserable Ausgabe eines Billywig'schen Gegengifts geworden", meinte Snape und seine Lippen kräuselten sich zu einem hämischen Grinsen. „Sind Sie wenigstens in der Lage, mir die Funktion dieses Gegengifts zu nennen, wenn sie doch so offensichtlich nicht in der Lage sind, es zu brauen?"


„Nein, Sir." Ich sah aus den Augenwinkeln, wie Darcie mir versuchte etwas in dezent unauffälliger Zeichensprache mitzuteilen, verzichtete aber darauf, mich auf ihre Hilfe beziehen zu müssen.


„Ein Billywig'sches Gegengift, unter der Bedingung ... korrekt gebraut zu sein, vermag es, auch zu einem sonst unwiederkehrbaren Zeitpunkt die Wirkung eines Giftes fast vollständig zu neutralisieren." Snape hob eine Augenbraue und bedachte mich mit einem milde abfälligen Blick. „Ihr Gebräu kann lediglich Goldlackwasser neutralisieren. Geben Sie sich nicht einmal die Mühe, eine Probe Ihres Tranks auf meinen Schreibtisch abzulegen."


Dann schwebte er mit einem letzten missbilligenden Blick auf mich und meinen Kessel weiter durch die Reihen.


Missmutig machte ich mich daran meinen Arbeitsplatz zu reinigen.


„Er ist so ungerecht", maulte ich und stopfte meine Pergamente in meine Tasche.


„Um fair zu sein, wir haben Billywig'sche Gegengifte letztes Jahr durchgenommen", erwiderte Darcie etwas zu jovial für meinen Geschmack und warf mir ein unangenehm mitleidigen Blick zu. „Du hättest dich wenigstens minimal erinnern können."


Ich schüttelte den Kopf ob so viel Ungerechtigkeit (und das von Darcie!) und machte mich daran, den Inhalt meines Kessels zu leeren. Zu meiner großen Überraschung schoss ihre Hand vor und hielt mich davon ab, mein schleimiges Gebräu in den Ausguss zu kratzen. „Und wenn du dich an Billywig'sche Gegengifte erinnerst, wirst du auch noch wissen, dass der qualitativ hochwertigere Teil des Trankes sich durch Emulsion von dem schlechten Zeug absondert." Sie zeigte auf die schwerelosen Bläschen über meinem Kessel und grinste ihr seltenes Darcie Lächeln. „Das ist der beste Teil des Tranks. Vielleicht kein Gegengift für den tödlichen Kram dort draußen, aber für eine gute Dosis Feuerwhiskey reicht es allemal."


Ihr Lächeln nahm einen wissenden Unterton an, und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. „Oh Merlin."


Darcie Branstone war ein seltsamer Mensch und vermutlich aus eben diesem Grund verbrachte ich einen Großteil meiner Zeit in ihrer fragwürdigen Gesellschaft. Und die eine Sache, die sie mehr vergötterte als Symmetrie, war die bei weitem dümmste und verbotenste aller Erster-Schnee-Traditionen. Jedes Jahr aufs Neue nominierten alle vier Häuser einen Champion (wobei es rein traditionell gesehen derjenige war, der unter Mitgliedern seines Hauses die erste Flocke gesehen hatte) der sich daraufhin einer Reihe unnötiger Trinkspiele aussetzen musste und darauf hoffte, dass alle gegnerischen Parteien in ein selbstinduziertes Koma fallen würden, bevor man selbst eine Überdosis erwischte und das Bewusstsein verlor. Da jede Tradition ihren Ursprung und damit mythenumrankte Geschichten mit sich trug, war es wohl angebracht anzumerken, dass es angeblich aufgrund der hormongesteuerten Idiotien zweier Schüler (ich bin mir todsicher, dass mindestens ein Slytherins und ein Gryffindor involviert waren) initiiert wurde, die sich nicht in der Lage gesehen hatten, sich darauf zu einigen, wer von den beiden den ersten Schnee nun als solchen erkannt hatte und damit dem anderen zweifelsohne überlegen (Achtung, Sarkasmus). Als einzige Antwort war ihnen wohl die elegante Kunst des Totsaufens eingefallen und hatten es damit unwissent- und willentlichlich zu einer Tradition erhoben, die ganz Hogwarts erschreckenderweise mehr respektierte, als einen Großteil der Schulregeln. Das ganze Ding hatte inzwischen ein solches Ausmaß erreicht, dass man es so weit ausgedehnt hatte, dass dem gesamten Haus des siegreichen Champions einen Winter lang gewisse Privilegien erstattet wurden, anstatt es auf den einzelnen zu beschränken. Nicht ohne Grund wurde dieser Event in gesamten Schule zu hochgehalten — und das obwohl (oder vielleicht sogar weil) es komplett sinnfreies Unterfangen war und so grämte es mich umso mehr, möglicherweise in diese Situation reingezerrt worden zu sein. Und jetzt implizierte Darcie, auf ihre üblich indirekt direkte Art, ich solle an diesem hirnlosen Wettbewerb teilnehmen und zu allem Überfluss auch noch auf die Hilfe meiner mangelhaften Zaubertrankfähigkeiten vertrauen.


„Sicher nicht", sprach ich meine Gedanken aus und wachelte mit der Hand vor meinem Gesicht herum, als wollte ich ein besonders schreckliches Übel verscheuchen. Darcie blinzelte mich aus treuherzigen Augen an, aber ich wandte ich rasch ab. „Vergiss es, Darc, ich töte sicher nicht meine letzten drei Hirnzellen ab, nur, um dir eine Freude zu machen."


„Ich kann es nicht fassen, dass wir beinah einem weißen Weihnachten entgangen wären", seufzte ich und stopfte die Phiole mit meinem Gegengift resigniert in die Jackentasche. „Das wäre einer nie dargewesenen Tragödie gleichgekommen."


„Kannst du dir vorstellen, wie traurig der Weihnachtsball ohne den Schnee gewesen wäre?", mischte sich Cho Chang eine Reihe vor uns ein, und drehte sich zu uns um. Hinter ihr stiegen die von Snape beschriebenen Rauchkringel auf, die mit einer perfekten Zubereitung einhergingen, was Cho eigentlich in jeder Hinsicht zusammenfasste. Sie strich sich eine Strähne ihres buttrig weichen Haars aus der Stirn und schenkte uns ein mildes Lächeln.


„Für die meisten von uns wird der Weihnachtsball eine sehr traurige Angelegenheit, Chang", murrte Darcie im Flüsterton. Ihre sonst so lethargische Fassade wies klare Risse auf, als sie der schlanken Ravenclaw vor uns einen mörderischen Blick unter ihren Stirnfransen hervor zuschoss. „Ich kann es immer noch nicht fassen, dass sie und Cedric zusammen zum Weihnachtsball gehen. Welch Kapitalverrat an einem eigenen Haus ist das denn bitte?" Sie schnaubte und schlug ihr Buch geräuschvoll zu, während Cho sich mit konfus gefurchter Stirn wieder abwandte.


Ich schenkte ihrem Hinterkopf ein entschuldigendes Lächeln und drehte mich ungehalten Darcie zu. „Nur weil du von Cedric besessen bist und wir beschlossen haben, ohne Dates aufzukreuzen, gibt dir das lange nicht das Recht, jemand Anderes so abfällig zu behandeln. Was denkst du dir dabei?"


Darcie gab sich nicht einmal die Mühe, eine reuevolle Miene aufzusetzen und verdrehte nur die Augen. „Hör auf ständig so moralisch zu handeln. Das nervt." Sie ließ ihre Feder mit stoischer Ruhe in die Tasche gleiten und füllte eine Probe ihres fast tadellosen Tranks ab.


„Darcie–", setzte ich warnend an, aber sie unterbrach mich, ehe ich mir überhaupt überlegen konnte, wie ich das auf die harmoniebedingteste Art und Weise ausdrücken konnte. Sie schüttelte den Kopf.


„Lass stecken, Erin", maulte sie nur und schulterte endlich ihre Tasche, um sich aus meinem persönlichen Gefängnis zu bewegen. Dankbar, sie endlich zur Eile getrieben zu haben, befolgte ich ihren Befehl unwillig, obwohl ich mir vornahm, sie ob ihres unfreundlichen Verhaltens noch zu konfrontieren.


Sie hopste aus dem Klassenraum und drehte sich zu mir um, sobald wir im schwach beleuchteten Flur standen. „Ich freue mich so darauf, dass du Champion wirst", trällerte sie. Für einen Moment in Gedanken noch bei Cedric und dem Trimagischen Tunier, starrte ich sie verwirrt an, ehe mir die Tragik, die da meine Sichtung der ersten Schneeflocke mit sich brachte, wieder einfiel und meine Stimmung sackte (wenn überhaupt möglich) noch tiefer ab.


„Ich bin mir sicher, dass es jemanden aus unserem Haus gibt, der den ersten Schnee vor mir gesehen hat. Wozu sonst rühmen wir uns denn unserer finderischen Fähigkeiten?", versuchte ich ihre Begeisterung abzuschwächen — obwohl es viel mehr ein Stoßgebet an jede existente und non-existente Macht des Universums war, man möge meinen Wunsch erhören und mich bloß aus dieser schrecklichen Situation herausretten. Bitte, bitte bloß nicht.


Wie sich herausstellte, sollte Darcie rechtbehalten. Ich war tatsächlich und wahrhaftig die erste und einzige Hufflepuff gewesen, die während der siebten Stunde gelangweilt genug gewesen war, um aus dem Fenster zu starren wie eine Besessene und damit den kleinen, hüpfend weißen Punkt zu sehen. Obwohl ich versucht hatte, meine Entdeckung gegenüber Anderen zu kaschieren, hatte es sich Darcie zur Aufgabe gemacht, meinen Dienst an das Haus Hufflepuff in die Welt hinauszuposaunen, als sei sie mein persönlicher Missionar.


Und so fand ich mich zwei Abende später, schon in Abendkleid und Festumhang gezwängt in einem vollgestopften Klassenraum wieder und wünschte mir nichts sehnlicher, endlich den verhassten Ball betreten zu können, sei es nur, um diesem wahrgewordenen Alptraum entkommen zu können.


Ich verabscheute Aufmerksamkeit mit einer tiefgründigen Passion und der schlichte Gedanke, dass gerade einhundertundvierzig Leute darauf zählten, dass ich mehr Alkoholtoleranz aufweisen konnte, als die anderen drei Schüler, die um den kleinen Tisch in der Mitte des Raumes geschart standen, versetzte mich in panische Angst. Inzwischen jagten die Schneeflocken um das Schloss wie ein dichter, weißer Schleier, der eine Sichtweite von kaum mehr als ein paar Fuß zuließ. Schemenhaft flackerte das schwache Licht aus Hagrids Hütte bis zum Schloss herauf und bot damit dem dichten Weiß den allerletzten Widerstand.


„O'Callaghan", johlte jemand aus der dicht gedrängten Menge im Klassenzimmer und ein paar begeisterte Rufe stimmten ein. Ich verkrampfte mich zunehmend und umklammerte die raue Tischkante mit weißen Fingerknöcheln, um nicht auf den Lärm um mich herum achten zu müssen.


Die Situation wurde mir immer verhasster, je näher sie kam. Zu allem Überfluss hatte ich um die Namen der anderen Champions erst vor wenigen Stunden erfahren — und jeder einzelne ließ mich auf seine spezielle Art unwohl fühlen. (Ich war manchmal ein schwieriger Mensch und ja, ich war mir dessen vollkommen bewusst.)


Gryffindor hatte Angelina Johnsson vorgeschickt und ich ward von dem unangenehmen Gefühl beschlichen, dass sie um einiges toleranter war, als ich es mir je erträumen könnte. Ravenclaw's Champion war ein winziger Zweitklässler, der so nervös aussah, dass ich mich versucht fühlte, ihn einfach gewinnen zu lassen (bis ich erkannte, dass das Kind so früh wie möglich aus diesem Wahnsinn ausscheiden sollte.)


Und Slytherin—Slytherin präsentierte sich wieder einmal von seiner allertypischsten Seite. Ihr Champion war ein blasiertes Reinblut, das durch die Gänge stolzierte, als gehörten sie ihm persönlich und die Leute nach genau dem gleichen Maß behandelte. Immerhin war er schön. Ungewöhnlich wildes, rotes Haar zierte seine Schläfen wie züngelnde Flammen, die sich unersättlich an seine blasse Haut schmiegten. Obwohl er Sommersprossen hatte, nahmen sie ihm keineswegs seine Eleganz; viel mehr bestätigten sie durch ihre willkürliche Präsenz eine edle Natur, die sich in seiner gesamten Statur widerspiegelte.


Sein Name war Elijah Burke und er hasste mich.


Wir waren vor wenigen Monaten das erste Mal über etwas aneinandergeraten, das er sich aus seiner überheblichen Arroganz heraus erlaubt und meinen moralischen Code zutiefst verletzt hatte, sodass ich mich in gewisser Weise gezwungen gesehen hatte, ihn zusammenzustauchen. Es schien ihm bis zu jenem Moment noch niemand ein Wort des Wiederspruchs geboten zu haben, sodass es nur natürlich war, dass wir beschlossen, uns auf eine unnatürlich bösartige Weise fortan zu verabscheuen.


Ich warf ihm über den Tisch hinweg einen funkelnden Blick zu, den er mit einer suggestiv gehobenen Augenbraue erwiderte. Hey Arschloch, formte ich stumm mit den Lippen.


„Kleiner Dachs", spottete er laut und einige Blicke folgten seiner triefenden Stimme bis zu mir. „Ich wusste gar nicht, dass jemand mit solch einer selbstgerechten Justiz überhaupt an etwas so Regelwidrigem teilnimmt."


Ich verengte die Augen und umpackte den Tisch nur noch fester. Gerade als ich zu einer überaus bissigen Antwort ansetzen wollte, erkannte Darcie den Ernst der Situation und riss die Kontrolle an sich, ehe es eskalieren konnte. Sie hatte sich die diesjährige Leitung des Wetttrinkens unter den Nagel gerissen und redete seit Stunden von nichts anderem mehr. Sie begann ihre einführende Rede (sie hatte sie so obsessiv geübt, dass ich sogar mitflüstern könnte) und rief schließlich zum Beginn des Wettbewerbes auf.


Und das letzte, an das ich mich vollkommen klar erinnerte, waren Elijahs stechende Augen in meinen, ehe ich den Becher an die Lippen setzte und die brennende Flüssigkeit meinen Hals herunterkippte. Die nächsten zwanzig Minuten waren ein einziger Schleier der Verwirrung, des Feuerwhiskey, lautem Gejohle und schreienden Menschen. Als erstes schied der kleine Ravenclaw aus, der den gesamten Inhalt seines ersten Glases auf den Boden spuckte, ehe er den Becher auf den Tisch knallte und in einer siegreichen Geste die Arme in die Luft reckte. Zu aller Überraschung schied als nächstes Angelina aus. Sie trat freiwillig zurück, aus dem Grund, dass sie ihrem Date nicht auf die Schuhe kotzen wollte, wenn sich ihnen die einmalige Gelegenheit eines trimagischen Weihnachtsballs bot.


Und so waren es nur noch Elijah und ich, und ich wusste, dass ich bald meine Halsmuskulatur nicht mehr dazu zwingen könnte, zu schlucken. Der Geschmack brannte wie Feuer und der grausliche Würgreiz war plötzlich alles, was mir noch vorschwebte. Alles drehte sich.


Elijah lächelte, als er meine veränderte Postur erkannte und griff um sein Glas. Er hob es an, und prostete mir mit einer spöttischen Eleganz zu. Und es war diese zutiefst abfällige Gebärde, die mich meinen Ekel vergessen ließ und meinen Stolz über mein persönliches Wohlergehen erheben.


Ohne auch nur den Bruchteil einer Sekunde zu zögern, stürzte ich den Inhalt meines Glases herunter und knallte es in theaterreifer Manier auf den Tisch. Vor mir stand Elijah Burke und sein Glas war randvoll. Er lächelte immer noch und nickte mir zu. Plötzlich verstand ich die Welt nicht mehr und es half auch kaum, dass plötzlich der gesamte Raum in jubelnden Applaus ausbrach und ich (schön ausgedrückt) total besoffen war. Warum hatte er geblufft? Wohl kaum um mich an den Sieg zu treiben? Was für ein berechnendes Motiv steckte hinter seinem Verhalten?


Er lächelte mir ein letztes Mal zu, und ich beschloss, es für diesen Moment ruhen zu lassen. Entweder war er besoffen ein guter Mensch oder er hatte auf die unkonventionellste Art und Weise beschlossen unser Kriegsbeil zu begraben. Vielleicht war auch die Moral des Tuniers und damit des Balls zu ihm durchgedrungen.


Ich würde ihn später fragen müssen, denn in just diesem Moment, in dem ich da perplex dastand, stürmte die Welt auf mich ein und ich wurde von einer Masse an kreischenden Hufflepuffs erdrückt. Ich erkannte nichts und niemanden, ehe Darcie mich nicht aus der Meute herausriss.


„ERIN", brüllte sie. „ICH HABS CHO INS GESICHT GESAGT!"


„Was?", stotterte ich komplett verwirrt. Ich hatte jetzt wirklich nicht das streitschlichtende Intellekt, um mit einer eifersüchtigen Darcie umgehen zu können. Ich wollte gar nicht einmal wissen, welchen gemeinen Diskurs sie der armen Cho angetan hatte.


„ICH HAB CHO GESAGT, DASS ICH IN SIE VERLIEBT BIN!"


Oh. Oooh. Oooooh. Und plötzlich machte alles noch mehr Sinn. Die ganze Eifersuchtsgeschichte mit Cedric hatte ich einfach falsch interpretiert. Es war immer Cho gewesen. Es passte so gut.


Ich wollte nicht einmal wissen, was Cho geantwortet hatte, ich war einfach nur so glücklich für meine verklemmte beste Freundin, dass ich sie am Arm packte und aus dem Zimmer hinaus in den Gang schleifte.


Wir taumelten lachend durch das Schloss wie zwei orientierungslose Maulwürfe, das misslinge Willywig'sche Gegengift vergessen in meiner Umhangstasche, ehe wir Stunden zu spät in den Weihnachtsball hineinstolperten.


Und als wir über die Schwelle traten, sah ich so viel was mein Herz erwärmte. Elijah stand an einen Tisch gelehnt mit seinem Date und nickte mir auf befriedigend freundliche Weise zu. Cho hing am Cedrics Arm und warf Darcie ein scheues Lächeln zu, kaum, dass sie uns in der Tür ausgemacht hatte. Aber über all dem, da fielen die Schneeflocken über den Weihnachtsball und sie tanzten dabei genauso schön, wie der Ball den Ruf hatte, zu sein.



Ich hasse meine Lehrerin. Handys sind Privatbesitz und ich hätte meins gerne immer in meiner Nähe, herzlichen Dank auch.

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